Auszug aus dem Buch von Joh. Friedr. Wolfahrt 'Parcival Studien I; Des Guiot von Provins bis jetzt bekannte Dichtungen'; Halle; 1861

In Wolfahrts Buch wird der altfranzösische Text sowie dessen Übersetzung gegenübergestellt. Guiots Gedicht ist eher als Satire zu sehen. Wenn man die Beschreibung der beiden Orden vergleicht lassen sich dem Leser jedoch einige Erkenntnisse daraus schliessen. Als Beispiel möchte ich die militärischen Aktivitäten nennen, welche nach Guiots Text beim Templerorden stets präsent sind. Beim Hospitaliterorden nennt er keinerlei militärischen aktivitäten. Seinem Text zu folge trat nach dem Fall von Jerusalem eine Wende in der Ausrichtung der Hospitaliter ein. Als Entstehungszeit des Gedichtes gibt Wolfahrt 1203 - 1208 an.

Der von Wolfahrt übersetzte Text des Guiot bezüglich der Templer und Hospitaliter:

9) Lieber im Tempel − gesteh´ ich ein −
Als im schwarzen Orden möcht´ ich sein,
Und in irgend andrem, soweit ich sie kenne −
Nur daß ich nicht auf´s Fechten brenne.
Seine Ordnung ist gut und schön fürwahr,
Doch ist mir fatal die Schlachtgefahr.
Vortrefflich ist´s mit ihm bewandt;
Er hält sein Gut in bestem Stand.
Die Templer sind ehrenhaft und fein,
Denn Ritter treten dort nur ein,
Welche die Welt mit ihren Gaben
Gekostet, gesehn und geschmecket haben.
Da führt nicht jeder eigne Kasse;
Ihr Gut ist allgemeine Masse.
Das ist der Orden des Ritterthums.
In Syrien stehn sie in Fülle des Ruhms;
Den Türken sind sie ein Graun und Schauer,
Dieweil sie stehn wie Burg und Mauer.
Sie fliehen niemals in der Schlacht.
Fürwahr, ich wär´ in Pein gebracht,
Wenn ihrem Orden ich angehörte,
Da ich zur Flucht mich sicher kehrte.
Wozu, daß ich auf Hiebe harre?
Da wär´ ich wirklich doch ein Narre.
Sie schlagen sich mit größter Wuth;
Doch Gott verhüt´s, daß Kämpfermuth
Und Ruhmsucht in den Tod mich bringe!
Schätzt lieber mich als feig geringe,
Als daß mich todt Ihr höchlich preiset.
Gewiss, der Templerorden erweiset
Als gut sich, schön, und treu im Rechten,
Doch nicht gesund steht´s um sein Fechten. −
Sie halten sich mit Ernst zum Tempel,
Und sind im Dienst drin ein Erempel.
Weiß Gott, nicht eitel sind ihre Werke
Und Heldenmuth ist ihre Stärke.
Ihrer Horen würd´ ich gern mich freuen,
Und nicht im Mindesten mich scheuen
In Allem ohne Fehl zu dienen,
Doch völlig fehlen würd´ ich ihnen
In der Stunde der Schlacht. − Ich kann´s versprechen,
Da würd´ ich mein Gelübbe brechen.
Gern lass´ ich diese Ehre ihnen,
Will Hast und Tod mir nicht verdienen;
Will´s Gott, so hüt´ ich mich vor diesen.
Doch seien sie stets geliebt und gepriesen
Denn es regiert Vernunft ihr Walten,
Ihre Häuser sind sauber gehalten;
Ihre Gerechtigkeit ist groß und strenge;
Das ist ihres Ordens schönstes Gepränge.
Durch zweierlei sind sie verschrieen,
Und werden des Tadels oft geziehen:
Und sie begreifen´s zu wenig fast,
Da Gott doch mehr kein Laster haßt.
Habsüchtig sind sie und berüchtigt.
Durch Stolz, wie jeder sie berüchtigt
Die Sünden sind´s nur, die ich weiß;
Nichts andres mindert ihren Preis.
Reich sind sie, herrlich angesessen,
Geehrt, geliebt auch unermessen;
Doch jene beiden Laster fraßen
Verderblich um sich sonder Maßen.
Ich fleh zu Gott, daß sie sie büßen!
Daß jeder es sagt − sie sollens wissen!
Von Demuth sei ihr Sinn genährt,
Da Gott sie also hochgeehrt.
Der weiße Mantel und das Kreuz
Bestät´gen ihr Wort und Werk allseits.
Des treuen Biedermannes Lehre
Die ist wohl werth, daß man sie höre.
Mit Sicherheit darf er verkünden:
Einen Spiegel soll der Templer finden
In Kreuz und Mantel. Recht und klar
Mach´ ich es ihnen offenbar:
Der weiße Mantel, der ihm gegeben,
Bedeutet Demuth und reines Leben:
Das Kreuz die Buß´ und heil´gen Stand;
Und zweifellos werd´ ihm bekannt:
Vorn auf den Mantel ward gesetzt
Das Kreuz, daß Stolz und Habsucht jetzt
Und nie dahinter sich bergen darf.
Wie nach der Schirft der Lector scharf
Hinschaut, will die Lection er können,
So soll der Templer schaun und rennen
Dem Kreuze nach, als jenem Pfad,
Auf den ihn Gott gewiesen hat.
Heil, wer sich hält auf rechten Wegen;
Dazu geb´ ihnen Gott den Segen!
Entsagen sie Habsucht und Uebermuthe,
So wünsch´ ich ihnen alles Gute.
Ich liebe sehr ihr Leben und Treiben;
Sie mögen stets im Wachsen bleiben,
Ihr Leben auch wie Helden wagen,
Mein´thalb, − nur ohne mich sich schlagen.

10) Jenseits des Meeres die Hospitaliter,
Hochfährtige und stolze Gebieter,
Die viel in Jerusalem ich betrachtet,
Fand ich großsinnig und sehr geachtet.
Dem heil´gen Johann vom Hospital
Ist all ihr Gut geweiht zumal.
Dazu ward es verliehn allein
Und zu nichts Anderm sollt´ es sein.
Ihr Reichthum all´ ist so bestimmt,
Daß Keiner Eigens davon nimmt.
Für sich besitze Niemand Gut!
Doch weh! daß Keiner darnach thut,
Wie Gastfreiheit es auferlegt,
Und Christenlieb´ es heischt und pflegt!
Denn dem entgegen sind ihre Werke,
Da nichts von Gastfreiheit ich merke.
Vernunft nicht leitet ihr Ermessen,
Da ihres Namens sie vergessen.
Man nennt sie Brüder vom Hospital;
Der Name sollte sie wecken all,
Sie sollten retten des Namens Ehr´
Diesseits und jenseits überm Meer.
Doch hat ihr Wesen sich verrenkt;
Niemand des Hospitals gedenkt,
Und weicht manch jenseits von der Pflicht,
Was bessert man es diesseits nicht?
Wo Liebe nicht die Kraft des Lebens,
Da sucht Ihr Gastlichkeit vergebens;
Der Nam´ ist falsch. Da ist nicht Gott.
"Vom Hospital" − der Nam´ ist Spott,
Wenn fehlt, was oben vor ich trug.
Sehr täuscht der Name uns mit Lug.
Nicht ihnen einzig gilt mein Wort.
Die Liebe floh so völlig fort,
Daß sie verschwunden aus der Welt,
Mit der es gründlich schlecht bestellt. −
Nein, Liebe floh nicht − das war Spott!
Denn die wahrhaft´ge Lieb´ ist Gott.
Als lieblos aber sind gerichtet,
Die sich mit Wort und Werk verpflichtet,
Zu wandeln auf der Liebe Wegen,
Und danach Gastfreiheit zu pflegen:
Wenn sie, was sie gelobt, nicht halten.
Da muß die Sünde sich entfalten.
Ihr Gelübde war Gastfreundschaft,
Gehorsam, Lieb´ und Glaubenskraft.
Ein Thor, wer Jenem schuldig bleibt,
Der all´ und jede Schuld beitreibt!
Der wird ihn nimmer entrinnen lassen,
Da seine Hände das All umfassen.
Dem sind alle Ränk´ und Schliche bekannt,
Der seine Schuld läßt aus der Hand;
Den führt er schwerlich hinter´s Licht,
Betrügt und hintergeht ihn nicht.
Denn er weiss alles, sieht´s, erkennt´s,
Spricht nach dem Recht nur die Sentenz.
Drum sollen treu das Recht wir lieben,
Da dessen Bahn uns vorgeschrieben.
Das Recht ist´s, dem wir nachgehn sollen,
Wenn zum rechten Gericht wir gelangen wollen,
Und leidigen Tod wird der empfinden,
Den die Gerechten auf Abweg finden. −
Der Ehrenmänner giebt´s genug
Im Hospital − das ist kein Lug −
Sie mögen drum mir zürnen nicht,
Ermahn´ ich sie an ihre Pflicht.
Es ist von allem und jedem Orden
Ja Gastlichkeit gelobet worden;
Gleich ihm soll jedem sie sein eigen.
Ich habe mehr als tausend Zeugen,
Daß darin Wahrheit ich berichtet.
Der Orden ward in Lieb´ errichtet;
Von Liebe soll erfüllt er sein.
Ein Mönch mag dulden große Pein,
Mag sehr viel lesen, sehr viel singen,
Arbeiten, fasten, Geissel Schwingen:
Doch wenn er seine Liebe nährt,
Ist´s − glaub ich − ihm von seinem Werth.
So ist er wie ein ödes Haus,
Wo die Spinne spannt ihre Netze aus;
Wie bald zerreißt, was sie gesponnen!
Vom Menschen, der Liebe nicht gewonnen,
Sag´ ich: er ist ein ödes Haus;
Gott und Vernunft entwichen draus.
Ein ödes Haus durchsaust der Wind;
So saust´s druch mancher Leute Kind.
Ich halte den für öd´ und leer,
In dem nur Sausen ist und nichts mehr.
Durch solch Gesaus von Fasten und Beten
Kann man nicht seine Seele retten,
Wenn nicht sie Glaub´ und Lieb´ erfüllt;
Das zeigt uns klar der Heiland mild.
Einer der viel sich mit Fasten kasteit
Und lebt´ in Felseneinsamkeit
Fiel, als er von einem Schächer vernommen,
Daß er wegen Gutthat Gnade bekommen,
In Unglauben und Verzweiflungsnoth.
So ist, wem Glaube fehlt, sündentodt.
Gott liebt nicht thörichtes Entsagen
Noch heuchlerisches Manteltragen.
Der quält mit eitlem Werk sich ab,
Der sich die Heuchelmaske gab.
Wo´s Großem gilt, da tauget nicht
Ein Werk, das morsch zerfällt und bricht.
Hin schwindet leicht es und vergeht.
Wie Spinnengewebe wird verweht.
Gleich wie das Gold vor allem Metall
Das wertheste ist, ward´s Hospital
Als das wertheste Haus der Welt betrachtet;
Sein Ort, sein Name war geachtet,
Solange Liebe darin wohnte.
Reichthum und Fülle dorten thronte.
Das Hospital war wohl bestellt,
Denn Vortheil zog´s von aller Welt
Durch Schenkung, Gaben und Vermächtniss;
Sehr ehrenvoll stand´s im Gedächtniss.
So war´s, doch ist´s mit nichten jetzt.
Sehr bald zerstückt wird und zerfetzt
Ein nichtig Werk, das außen gleißt.
Wie man auch goldig Kupfer preist,
Doch die Vergoldung wird schnell vergehen.
Ein Glaubenswerk soll lang´ bestehen!
Der Gleißner fällt, sinkt hin sein Kleid;
Gut Werk soll dauern in Ewigkeit.
Gar herrlich stand das Hospital,
Glänzend in guter Werke Strahl;
Doch schlecht bewährt sich − das steht fest −
Wer gutes Werk sich reuen läßt.
Unselig taumelt hin und fällt,
Wer gute Gewohnheit fest nicht hält.
Die Hospitaliter in Reichthum stehen;
Wenn treulich sie den Dienst versähen,
Wozu sie einst gestiftet worden,
So gäb´ es keinen besseren Orden.
Mit Macht wird da gehäuft, gerafft,
Mit Macht zusammengescharrt und geschafft,
Sie haben Verbrüd´rungen, große Renten,
So daß sie wohl dran denken könnten,
Zur Gastfreiheit zurückzukehren,
Und wahre Liebe zu bewähren.




Zurück